Comisión Sexta Zapatista.
Mexiko.
31. Juli 2021.
An die Opfer und Familienangehörigen der Opfer in Mexiko.
An die Organisationen, Gruppen, Kollektive und Einzelpersonen, die die Opfer unterstützen.
Hier präsentieren wir Euch die ersten Ergebnisse der Consulta Popular, die uns erreichten:
1.- Bis um 13:00 Uhr des 31. Juli 2021 haben die zwölf zapatistischen Caracoles (1) und ihre jeweiligen Räte der Guten Regierung die Protokoll-Urkunden von 756 Dörfern, Gemeinden, Orten, kleinen Ortschaften – deren Bewohner*innen die jeweiligen Maya-Sprachen zoque, tojolabal, mame, tzeltal, tzotzil, cho ́ol sprechen – erhalten. Diese Urkunden sind von Zapatistas, von Mitglieder*innen des CNI [Congreso Nacional Indígena] und von Partei-Anhänger*innen, die sich innerhalb ihrer Gemeinde-Vollversammlungen erklärt haben. Sie sind »Extemporäre – Unzeitgemäße« – das heißt, legal existieren sie nicht.
2.- Die 756 Gemeinden der Originarios (2) sprechen sich für ein »JA« aus – als Antwort auf die Frage, ob sie damit einverstanden sind oder nicht, dass das Notwendige zur Unterstützung getan wird – damit die Rechte der Opfer und ihrer Familienangehörigen auf Wahrheit und Gerechtigkeit erfüllt werden.
3.- Wir haben bisher festgestellt, dass vom Nationalen Wahlinstitut INE an vielen Orten die Frage nicht pflichtgemäß in Sprachen mit Maya-Wurzeln übersetzt wurde. Auch wurde nicht erklärt, worum es geht, und an verschiedenen Orten wurden lediglich die Wahlkabinen aufgestellt – ohne der Bevölkerung zu erklären, für was sie sind.
4.- Die Pueblos zapatistas (3) übernahmen die Erklärungsarbeit, wie wichtig die Teilnahme an der Consulta ist und wie die Frage lautet. Das taten sie genauso bei CNI-Mitglieder*innen wie Partei-Anhänger*innen – und sie taten es in ihren Muttersprachen.
Zu unserer Überraschung hielten und halten einige Gemeinden, wo nur Partei-Anhänger*innen und keine Zapatistas leben, ihre Versammlungen ab – und sie schickten und schicken deren Ergebnisse an die [zapatistischen] Räte der Guten Regierung.
Auch haben sich die Partei-Anhänger*innen für die Erklärungen bei den Räten der Guten Regierung bedankt; sie werden morgen [1. August] zu den Wahlkabinen gehen – und uns danach die Anzahl derer mitteilen, die mit ihrem Wahlausweis teilgenommen haben.
Dem Fehlen an staatlich und institutionell anerkannten Vorfahren wird durch die Extemporären – Unzeitgemäßen abgeholfen: Sie haben sich daran gemacht, in ihre originären Sprachen zu übersetzen, die Wichtigkeit der Consulta zu erklären und zu was befragt wird.
Nicht nur ist keine*r des INE aufgetaucht, um zu erklären. Auch keine*r des Regierungsapparats ließ sich herab, wenigstens zu versuchen, zu irgendeiner Comunidad, Gemeinde zu kommen – wobei eigentlich anzunehmen ist, er sei der an der Consulta Interessierte, denn so hat es doch sein Vorarbeiter (4) angezeigt.
Das Einzige, was die Regierungsbeamten getan haben, ist den Leuten zu drohen: Wenn sie nicht bei der Volksbefragung »wählen gehen«, würde ihnen die Unterstützung durch die Regierungsprogramme »gekürzt« (5). Jene wurden geschickt, um zu sagen: Wenn Sie die finanzielle Unterstützung nicht verlieren wollen, dann gehen Sie hin und kreuzen mit »Ja« an.
Außerdem lügt der Regierungsapparat, da er den Leuten sagt, sie sollen wählen gehen und ihr »Ja« geben, damit die ehemaligen Staatspräsidenten vor Gericht gestellt werden können.
Anstatt zu erklären, greifen sie auf Drohungen und Lügen zurück.
Es hätte lediglich ein Minimum an Selbstachtung, Respekt und politischer Arbeit gebraucht.
Und später werden sie sich fragen, warum passiert das, was geschieht.
5.- Obzwar sie für den mexikanischen Staat nicht existieren, umarmen auf diese Weise tausende von indigenen Familien – die »Extemporäre« sind – die tausenden Familien der Opfer von Entscheidungen der verschiedenen Regierungsebenen innerhalb der letzten Jahre.
6.- Obzwar wir für den mexikanischen Staat legal nicht existieren, bitten wir Euch – Opfer, Familienangehörige, Unterstützungsorganisationen – dass Ihr die Umarmung derjenigen annehmt, die Jahrhunderte mit sich tragen – einschließlich der gegenwärtigen Zeiten – und Opfer sind von »Akteuren der politischen Entscheidungen« aller Regierungen aus jeglichem politischen Spektrum.
Wenn wir die endgültigen Ergebnisse [der Consulta] haben, werden wir sie Euch zukommen lassen – denjenigen, die kämpfen für die Wahrheit und Gerechtigkeit für die Opfer und ihre Familien.
Mit dieser Aktion, über die wir Euch jetzt informiert haben, beginnen die Pueblos zapatistas – an diesem 31. Juli 2021 – mit ihrer Teilnahme an der Landesweiten Kampagne Für Wahrheit Und Gerechtigkeit.
Das ist alles.
Aus den Bergen des Südosten Mexikos.
Subcomandante Insurgente Galeano.
Comisión Sexta Zapatista für die Landesweite Kampagne Für Wahrheit Und Gerechtigkeit.
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Anmerkungen der_die Übersetzerin_in:
(1) Caracol: Sitz des Rates der Guten Regierung; Organisierungsort aller Bereiche der zapatistischen Autonomie und deren Verantwortliche
(2) Originarios; Pueblos originarios; verbleibt im Original, da eine Selbstbezeichnung; wörtlich übersetzt: »originäre/ ursprüngliche Gemeinschaften/ Völker/ Gemeinden«
(3) Pueblos zapatistas: s. (2): zapatistische Pueblos/ Gemeinden/ Gemeinschaften
(4) Mit »Vorarbeiter« ist der aktuelle mexikanische Präsident López Obrador gemeint. Nach zapatistischer Analyse und Sprachbild vernutzt das aktuelle kapitalistische System (»der Herr, el Patrón«) die gesamte Welt wie seine »Finca« (»Großgrundbesitz«). Die jeweiligen Länder-Regierungen sind dabei nur seine »Capataces, Vorarbeiter«, die seine Entscheidungen umsetzen. Siehe: EZLN: Das Kritische Denken angesichts der kapitalistischen Hydra. Münster 2016.
(5) Der SupGaleano macht hier ein Wortspiel aus »votar« (»wählen«) und »cortar« (»kürzen«).
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